Samstag, 18. Juli 2020

[Rezension #114] Vox



Name: Vox
Autor: Christina Dalcher
Genre: Dystopie
Preis: € 20,00 [D] | € 20,60 [A]
Seiten: 395
Sprache: Deutsch
Erscheinungsjahr: 2018
ISBN: 978-3-10-397407-2
Verlag: S. Fischer Verlag GmbH




 Klappentext:
Während ihre Freundinnen gegen die frauenfeindliche Regierung auf die Straße gehen, hat Jean die letzten Jahre mit der Erforschung einer seltenen Form des Sprachverlusts verbracht. Nun ist die Mutter von vier Kindern plötzlich selbst zum Schweigen gezwungen.
Von heute auf morgen hat man allen Frauen und Mädchen ihre Stimme, ihre Rechte, ihre Karrieren, ihre Träume geraubt. Jean und ihrer kleinen Tochter bleiben nur noch hundert Wörter am Tag - gemessen von einem Armband, das bei Überschreitung Elektroschocks ausstößt. Mit brutaler Härter wird Jeans Familienleben wie das Zusammenleben aller Menschen auf die Probe gestellt.
Da erhält Jean eine unerwartete Chance, eine Chance für alle Frauen und Mädchen.


Meinung (Achtung, möglicherweise Spoiler!):
Über dieses Buch bin ich letzten Monat durch meine schriftliche Englisch-Abi-Prüfung aufmerksam geworden, da wir dort drei Texte mit verschiedenen Aufgaben bearbeiten sollten und einer der Texte davon war aus dem Buch hier. Es waren Textausschnitte aus dem ersten und zweiten Kapitel, allerdings natürlich nicht aus der deutschen Version, sondern aus der englischen. Dennoch fand ich den Textausschnitt sowohl erschreckend, als auch interessant und wollte mir dann mal das Buch dazu ausleihen, glücklicherweise hatte meine Bibliothek das Buch. Kommt nicht oft vor, dass ich ein Buch suche und dort fündig werde, normal ist es eher bei der anderen Bibliothek der Fall. Wie auch immer, zurück zum Buch.

Ich hab aus Neugierde mal zwischen drin ein paar andre Meinungen zu dem Buch gelesen, einfach, weil ich neugierig war und bin auf drei bestimmte Punkte gestoßen. Mit einem davon stimme ich nicht überein, aber mit den anderen beiden schon. Auf die drei Punkte werde ich jetzt auch nacheinander eingehen und sagen, warum ich die Meinung teile oder nicht.
Der erste Punkt, den ich öfters gesehen habe, war der Schreibstil, der kritisiert wurde. Hab hier und da gelesen, dass das Buch zu emotionslos und zu langweilig geschrieben worden sei, was ich jetzt allerdings nicht fand. Man konnte die Emotionen, auch wenn es bei der Hauptcharakterin letztlich nicht so viele waren, durchaus nachvollziehen und zum Teil auch verstehen, zumindest geht es mir so. Fand es auch nicht langweilig, im Gegenteil, ich habe das Buch innerhalb weniger Tage durchgelesen und es auch nur nicht getan, weil ich gerade gelernt oder was anderes wichtiges wie Essen oder Schlafen machen musste. Mir hat der Schreibstil gefallen und ich könnte mir jetzt, nur aufgrund dessen, schon gut vorstellen, mir mal ein anderes Buch von der Dame durchzulesen, sollte es mir mal zufällig in die Hände fallen.
Die anderen zwei Punkte haben mit der Story und der Hauptcharakterin zu tun. Die Geschichte wird aus ihrer Sicht erzählt, sprich, wir erleben auch die anderen Charaktere durch sie und können uns auch ein Bild von ihnen machen, wobei sie auch die anderen ständig bewertet. Und das tut sie ständig, auf die gleiche Art und Weise, als würde sich niemand weiterentwickeln, abgesehen davon, dass die Person älter wird. Ihrem Mann wirft sie ständig Unfähigkeit vor (da ich aber seine Sicht nicht kenne, kann ich nicht wirklich beurteilen, wie wahr es wirklich ist und wie viel davon von ihrer Sichtweise gefärbt), ihre Tochter ist immer süß, ihr Kollege immer heiß, ihre Söhne immer nervig, besonders Steven ... besonders, was ihren Kollegen angeht, hat sie ihren Mann immer kritisiert, gesagt, ja der macht das und das nicht, aber ihr Kollege würde es immer tun. Er war immer ihr Held in der strahlenden Rüstung. Was vermutlich auch daran liegt  (Punkt zwei, btw), dass sie mit dem italienischen Kollegen eine Affäre hatte, sowohl bevor die Frauen die 100-Wort-Limitation hatten, als auch danach. Sie wird auch schließlich schwanger von ihm, kann aber aufgrund ihrer eigenen Einstellung und weil es das System nicht erlaubt, abtreiben. Überhaupt hat sie kein schlechtes Gewissen gegenüber ihrem Mann und lässt sich lieber von ihrem Kollegen mehrfach flach legen, als einfach mal zu gucken, wo die Probleme in der Ehe liegen. Sie kommt irgendwann zu dem Schluss, dass sie zu früh geheiratet haben und sie ihn wohl nie geliebt hat, aber wie es dann trotzdem über die Jahre zu insgesamt vier Kindern kommen konnte, erklärt sie damit nicht. Das hat mich am meisten an ihr gestört, neben dem "Oh, mein Mann ist so ein Schlaffi und mein Lover so ein mutiger Hecht!". Das kam auch noch öfters im Buch vor und ich musste mehrfach mit den Augen rollen.
Der letzte Punkt, bei dem ich auch übereinstimme, ist das Ende. Die Geschichte ist an sich wahnsinnig gut und spannend aufgebaut, man weiß nicht, wie sie sich entscheiden wird (und vor allem für wem und welches Leben); und wohin das alles führen wird. Es wird so einiges aufgebaut, nur um dann einfach unter den Teppich gekehrt zu werden. Ich hab mir das eine oder andere Szenario aufgebaut und dann werden bestimmte Punkte nicht mehr erwähnt oder genauer betrachtet. Das kam mir dann doch etwas verschwendet vor. Überhaupt waren die letzten 30 bis 40 so zusammengequetscht, als hätte die Autorin eine schöne spannende Geschichte aufgebaut und musste dann das Ende so stark zusammenquetschen oder abkürzen. Das passt nicht so ganz, vor allem, da das Ende mehr erzählt wird. Auch passiert ein echt heftiges Ereignis, aber die Hauptcharakterin tut das nur mit einem gefühlten Schulterzucken ab.
Es passt halt einfach zu dem ganzen Spannungsaufbau, der während der gesamten Geschichte passiert. Man sitzt auf heißen Kohlen, nur um dann einen Eimer voll kaltem Eiswasser abzubekommen, welcher einem mit einem Schwall über den Kopf ausgeleert wird.
Was ich jedoch verstehen konnte, war ihr Entsetzen gegenüber den Worten und Taten von Steven. Was der da von sich gegeben hat, das konnte ich auch teilweise echt nicht glauben, auch nicht, dass er auch noch dahinter steht und das glaubt, was er da frauenfeindliches vom Stapel gelassen hat. Und ich bin weder Feministin noch irgendwie jemand, der gleich in allem und jedem ein Frauenhasser sieht. Klar, es hat mich auch teilweise an das Buch "Die Welle" erinnert, weil er ist ja noch jung und beeinflussbar, trotzdem habe ich es nicht verstanden, dass er das nicht trotzdem mal hinterfragt hat.


Leseprobe:
Wenn mir jemand erzählt hätte, ich könnte den Präsidenten, die Bewegung der Reinen und diesen unfähigen kleinen Scheißkerl Morgan LeBron innerhalb einer Woche zu Fall bringen, hätte ich ihm nicht geglaubt. Aber ich hätte auch keinen Einwand erhoben. Ich hätte überhaupt nichts gesagt.
Ich bin eine Frau weniger Worte geworden.
Heute Abend beim Essen, bevor ich meine letzten Silben des Tages äußere, tippt Patrick auf das silbrige Gerät an meinem linken Handgelenk, als wolle er meinen Schmerz teilen oder mich vielleicht daran erinnern, stumm zu bleiben, bis das Zählwerk um Mitternacht zurückgesetzt wird. Dieses magische Ereignis wird geschehen, während ich schlafe, und ich werde den Dienstag mit einem leeren Display beginnen. Das Zählwerk meiner Tochter Sonia wird dasselbe tun.
Meine Söhne tragen keine Wortzähler.
Während des Abendessens quatschen sie wie üblich über die Schule.
Sonia geht auch zur Schule, verschwendet jedoch keine Wörter über ihren Tagesbericht. Beim Essen des einfachen Eintopfs, den ich aus dem Gedächtnis zusammengeschustert habe, fragt Patrick sie nach ihren Fortschritten in Hauswirtschaftslehre, Körperlicher Fitness und einem neuen Unterrichtsfach namens Einfache Haushaltsbuchführung ab. Gehorcht sie ihren Lehrern? Wird sie in diesem Halbjahr gute Noten bekommen? Er weiß genau, welche Art von Fragen er stellen muss: geschlossene Fragen, die man nur mit Nicken oder Kopfschütteln beantworten kann.

Fazit:
Müsste ich das Buch in Prozente einteilen, würde ich sagen, so 85% waren große Klasse, während die restlichen 15% ziemlich verschwendetes Potenzial sind. Es wird eine futuristische Welt eingeleitet, es wird so viel über die Armbänder, die Zeit davor und auch die Wege erzählt, wie man mit wenigen oder keinen Worten kommunizieren kann, es wird so viel Spannung aufgebaut; und dann wird es am Ende versaut. Am Ende passiert alles so husch-husch-schnell-schnell, ein paar mehr Seiten und Inhalt hätte dem Buch sicherlich auch gut getan. Dass die Geschichte in dem gleichen Tempo auch beendet wird, sie wie begonnen wurde. So hat es einen faden Beigeschmack, obwohl ich eben vom Rest so begeistert war, auch wenn ich von der Hauptcharakterin irgendwann nicht mehr so begeistert war. Das passiert auch selten, denn normal ist es so, wenn mich der Hauptcharakter nervt oder mir einfach nur unsympathisch ist, dann gefällt mir auch der Rest des Buches nicht, aber das war hier nicht der Fall. Schade, ich wüsste echt gerne, woran es gelegen hat, dass das Ende so ne Crashfahrt wurde, aber das werde ich wohl nie erfahren. So kann ich dem Buch nur insgesamt 4 Rubine geben.






Quelle:
Bild: Selbst geschossen

1 Kommentar:

  1. Ach wie schade. Ich hab Ähnliches gerade mit "Die Tribute von Panem X" erlebt. Ein schlechtes Ende kann einem die gesamte Geschichte versauen. =(
    Dabei hört sich "Vox" echt mega interessant an.

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