Donnerstag, 25. Juli 2019

[Rezension #100] Ihr Scheinheiligen!



Name: Ihr Scheinheiligen!
Autor: Tuba Sarica
Genre: Gesellschaft, Glauben
Preis: [D] € 14,99 | [A] € 15,50
Seiten: 224
Sprache: Deutsch
Erscheinungsjahr: 2018
ISBN: 978-3-453-60473-5
Verlag: Wilhelm Heyne Verlag




Klappentext:
Was läuft schief bei der Integration vieler Deutschtürken? Für Tuba Sarica gibt es auf diese Frage ganz klare Antworten, die sie anhand ihrer eigenen Beobachtungen und Erfahrungen präsentiert.

Als Insider identifiziert sie eine deutschtürkische Parallelgesellschaft, die die Verantwortung für gesellschaftliche Probleme von sich weist und sich bereitwillig für den anti-deutschen Populismus à la Erdoğan begeistern lässt.

Sie nimmt aber auch die Deutschen in die Pflicht, die durch falsch verstandene Toleranz und eine zu vorsichtig geführte Debatte - oft an den wahren Problemen vorbei - diesem Phänomen nicht viel entgegenzusetzen hat.

Tuba Sarica erzählt von ihrem Kampf für das Recht, ihre eigenen Weg zu gehen; sie spricht über Schweigespiralen und den unterschwelligen Druck, der vor allem auf Mädchen ausgeübt wird. Sie will aufrütteln und dazu ermuntern, in der Gesellschaft zu leben, was sie in ihrer eigenen Familie geübt hat: Dinge beim Namen zu nennen und Konflikte auszutragen, um sie tatsächlich zu lösen.

Meinung (Achtung, möglicherweise Spoiler!):
Ich muss zugeben, ich habe im tiefen privaten Bereich eher kaum bis wenig mit deutschtürkischen Menschen zu tun; aber ich bin an sich auch kein wirklich kontaktfreudiger Mensch bzw ständig auf Kontaktsuche, daher liegt es nicht an der Religion oder der Herkunft, das ist mit Menschen aus anderen Nationen und Religionen gleich. Außer in der Schule, in irgendwelchen Geschäften, beim Arzt oder so im Alltag begegnen mir ehrlich gesagt kaum deutschtürkische Mitbürger; befreundet bin ich ebenfalls mit keinem. Nun ja, wie gesagt, ich bin auch nicht sonderlich gesellig. Daher hatte ich keine Ahnung, wie es bei deutschtürkischen Menschen so daheim aussieht, wie sie leben und wie sie ihre Religion ausüben. Bisher habe ich mir ehrlich gesagt keine großen Gedanken darum gemacht, gab auch keinen Anlass oder Grund dafür und was Leute in ihren vier Wänden machen, geht mich auch eigentlich nichts an. Als ich dann das Buch gelesen habe, war ich wirklich sehr überrascht. Vieles davon wusste ich wirklich nicht, dass eine derartige Parallelgesellschaft überhaupt so richtig existiert, mit eigenen Bräuchen, Regeln und anderen Dingen, das wusste ich nicht. Hätte ich mir auch nie wirklich vorgestellt. Also dass Deutschtürken ihre Religion ausüben usw, das dachte ich mir schon, klar, aber dass es eine solche Parallelgesellschaft gibt, wie sie im Buch beschrieben ist, hätte ich nicht gedacht. Auch nicht, unter welchem Druck und merkwürdigen Regeln besonders die Mädchen aufwachsen, das war mir bisher noch nie bewusst. Ich habe auch nie wirklich die Diskussion um die Burka oder das Kopftuch verstanden, für mich war lediglich eine Art Accessoire oder eine Art, seinen Glauben auszuleben. Wie wenn man ne Kippa oder ein kleines Kreuz an der Kette trägt. Doch als ich das Buch gelesen habe, wurde mir klar, warum es diese Diskussionen gab; doch meine Meinung dazu hat sich kaum geändert.

Ebenso erfährt man auch viel aus Tubas Familie und Umkreis, nicht nur einmal habe ich aus Unverständnis über manche Menschen und deren Worte oder Reaktionen den Kopf geschüttelt. Selbst als jemand wie ich konnte ich sehr gut nachvollziehen, wie sich Tuba gefühlt hat und finde es gut, dass sie ihren eigenen Weg gehen will. Sie will, dass sowohl wir Deutsche, als auch die Deutschtürken sich mehr hinterfragen, aber auch mehr richtige Integration ausführen. Überhaupt war alles sehr verständlich und nachvollziehbar beschrieben.

Leseprobe:
Dieses Buch ist mir eine Herzensangelegenheit. Deutschland liegt mir am Herzen. Ich liebe mein Land. Dabei ist Patriotismus in Deutschland nicht besonders cool. Für meine Generation sind die Errungenschaften des vereinigten Europas nämlich selbstverständlich. Das ist auch gut so. Aber als Enkelin eines türkischen Gastarbeiters musste ich mir schon als Kind Gedanken darüber machen, wie ich zu Deutschland stehe. Und ich habe mich entschieden. Dafür.
Seit Jahrzehnten schlagen wir uns immer wieder mit dem Thema Integration herum. Doch wir drehen uns im Kreis. Denn diejenigen, die sich integrieren sollten, weigern sich, Selbstkritik zu üben. Dieses Buch soll dazu anregen, die deutschtürkischen Muslime in die Verantwortungen zu nehmen. Gleichzeitig soll es für sie selbst ein Anstoß sein, Verantwortung zu übernehmen und damit das nachzuholen, was sie bisher versäumt haben.
Zu lange richtete die Politik ihre Integrationspolitik, wenn überhaupt, gegen die deutsche Mehrheitsgesellschaft und deren Fremdenfeindlichkeit. Aus vielleicht allzu großer Vorsicht machten deutsche Politiker und Medien den Fehler, mit den Nachfahren der Gastarbeiter zu unkriktisch umzugehen. Das hat dazu geführt, dass man allein aus der AfD Stimmen hört, die sich kritisch gegen die in Deutschland lebenden Muslime äußern.
Viele Deutschtürken haben es sich in der Opferrolle bequem gemacht. Sie ist einfach viel zu praktisch, um sie aufzugeben. Die Deutschen wiederum eigenen sich aufgrund ihrer Nazivergangenheit besonders gut dafür, für das eigene Versäumnis verantwortlich gemacht zu werden. Sobald sich etwas nach Kritik anhört, einfach mit dem Rassismusvorwurf drohen, und schon lässt der Deutsche dich in Frieden - herrlich!

Fazit:
Das Buch räumt auf, ohne dabei den moralischen Zeigefinger auf irgendeiner der beiden Seiten zu richten. Es ist sehr interessant und verständlich geschrieben, auch bekommt man als Deutscher Einblicke, die man wohl größtenteils so nie bekommen hätte. Oft kennt man sich halt von der Schule, aber auch von der Arbeit - aber das war es dann auch schon. Man bleibt irgendwie dann doch unter sich, was mir bisher noch nie aufgefallen ist. Aber gut, ich sehe mich da als Sonderfall, was das angeht ...
Zurück zum Buch. Ingesamt vergebe ich an das Buch 4 Sterne und spreche eine absolute Leseempfehlung aus. Mein Exemplar werde ich demnächst der Bibliothek spenden, einfach, weil ich auf diese Art erreichen will, dass noch viel mehr Menschen, ob nun Deutschtürke oder Deutscher oder was auch immer, in den Genuss des Buches kommen.









Quelle:
Selbst geschossen

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