Montag, 29. Juli 2019

[Rezension #101] Japan - Abstieg in WĂŒrde



Name: Japan - Abstieg in WĂŒrde
Autor: Wieland Wagner
Genre: Gesellschaft, Wirtschaft, Geschichte
Preis: € 20,00
Seiten: 254
Sprache: Deutsch
Erscheinungsjahr: 2018
ISBN: 978-3-421-04794-6
Verlag: Random House GmbH




Klappentext:
Japans Wirtschaft galt einst als unbesiegbar, doch nun ist das Land schon seit Jahrzehnten in einer AbwĂ€rtsspirale gefangen. Japans Abstieg wird auch dadurch beschleunigt, dass seine Bevölkerung so schnell altert wie kaum eine andere: In den vergangenen fĂŒnf Jahren verlor das Land knapp eine Million Menschen, ganze lĂ€ndiche Regionen sterben gleichsam aus.
Wieland Wagner, langjÀhriger Asien-Korrespondent des SPIEGEL, hat sich auf die Spuren deies dramatischen Wandels gemacht. In seinem Buch beschreibt er eindrucksvoll, wie die jahrzehntelange Stagnation den Alltag der Menschen verÀndert und was mit der Wirtschaft und Gesellschaft eines Landes passiert, das sich tiefgreifenden Reformen verweigert. Aus dem Vergreisen dieser Wohlstandsnation, so Wagner, sollten wir auch hierzulande wichtige Lehren ziehen.

Meinung (Achtung, möglicherweise Spoiler!):
Das Buch hier habe ich zufĂ€llig neulich in meiner Stadtbibliothek gesehen, als ich eigentlich was ganz anderes gesucht habe. Da ich Japan allerdings interessant finde, und mich auch gerne mal kritisch damit auseinandersetze (also im Privaten, ich bin da jetzt weniger auf Diskussionen aus), habe ich mir das Buch ausgeliehen. Zuerst war ich mir nicht ganz sicher, aber dann hab ich es doch mitgenommen und in den letzten zwei Wochen gelesen. Immer mal wieder ein StĂŒck. Ich selbst habe mich noch nicht viel mit Japan beschĂ€ftigt, es ist auch mehr ein passives Interesse, allerdings wird in diesem Buch viel aufgedeckt und erwĂ€hnt, was ich persönlich noch nicht wusste und vermutlich auch nicht so schnell erfahren habe. Der Autor hat viele Personen befragt, viele Betroffene und erzĂ€hlt verstĂ€ndlich und nachvollziehbar, was in Japan in den letzten Jahrzehnen alles schief gelaufen ist. Dies macht er allerdings ohne den nervigen, erzieherischen Zeigefinger oder ohne irgendwie ĂŒberheblich zu wirken, im Gegenteil, es gibt sogar eine Stelle, in der Japan mit Deutschland vergleicht und merkt, dass wir in der fast gleichen Situation stecken. Auch wir hinken, was das Internet und die Technik angeht, weit hinterher. Auch Deutschland veraltet, auch wenn es in Japan gleich nochmal schlimmer ist. Er erzĂ€hlt auch gleichzeitig, wie die MentalitĂ€t der Japaner ist und in welchem Zusammenhang diese zur aktuellen Situation Japans, wie auch zur Entwicklung dieser ĂŒberhaupt beigetragen hat. Besonders wird hier auf die Wirtschaft, das AtomgeschĂ€ft und auch die Vergangenheit wie auch die Gegenwart Japans eingegangen. Es fehlt zwar an LösungsansĂ€tzen, allerdings wĂŒrde man das auch eher von einem Wirtschaftsexperten erwarten, nicht von einem Journalisten. Und ich denke auch nicht, dass das im Vordergrund steht, was die Ziele des Buches angeht. Auch geht der Autor oft auf die Rolle der Frau in Japan ein und welche Stellung sie dort hat - oder nicht.

Leseprobe:
"O kaeri nasai!" - "Willkommen zurĂŒck!" Mit diesen freundlichen Worten begrĂŒĂŸte mich der Beamte der Einwanderungsbehörde Ende Mai 2014 am Flughafen Narita bei Tokio. Ich war mit dem Nachtflug von Neu-Delhi, meinem vorigen Einsatzort als Korrespondent fĂŒr den SPIEGEL, gelandet. TatsĂ€chlich kam ich mir vor wie einer, der heimkehrt. Als der Beamte mir meinen AuslĂ€nderausweis mit der Aufenthaltsgenehmigung ausstellte, spĂŒrte ich etwas wie Erleichterung: Nach zehn Jahren Abwesenheit - sechs davon in Shanghai, zwei in Peking und dann noch mal fast zwei in Neu-Delhi - wĂŒrde ich nun wieder in Japan leben und arbeiten.
Schon auf dem Weg vom Flughafen nach Tokio sog ich alles ein, was ich an Japan vermisst hatte: die Höflichkeit der Menschen, die PĂŒnktlichkeit der ZĂŒge, die Sauberkeit. Der Alltag funktionierte hier so bequem und reibungslos wie nirgendwo sonst in Asien. Selbst das Wetter kam mir schöner vor, kein Smog verschleierte die Aussicht. Und das japanische Essen! Nachdem ich im Zentrum der Stadt angekommen war, kehrte ich in einem Stehinbiss ein, er sah fĂŒr japanische VerhĂ€ltnisse etwas heruntergekommen aus. Doch so gut wie hier hatte mir schon lange keine Nudelsuppe mehr geschmeckt.
ZunĂ€chst schien alles angenehm vertraut. Doch je lĂ€nger ich durch Tokio streifte, desto öfter hatte ich den Eindruck, dass sich etwas verĂ€ndert hatte in meiner alten, zweiten Heimat. Ich konnte es anfangs nicht konkret fassen, aber ich fĂŒhlte es immer deutlicher: Die relative Ruhe, die penible Ordnung der AlltagsablĂ€ufe, die ich zunĂ€chst als so wohltuend empfunden habe, erschien mir zunehmend als Lethargie. Wenn ich in die Gesichter der Menschen sah, auf den Straßen, in den S- und U-Bahnen, in den LĂ€den und in den Kneipen, kam Japan mir plötzlich alt und mĂŒde vor.

Fazit:
Auch das Buch hier ist nicht perfekt, dazu wirkt es hier und ein bisschen zu sehr wie ein langer Artikel bzw Kommentar, wie er auch in der einen oder anderen Zeitung (oder im Magazin) erscheinen wĂŒrde. Das Buch zeigt die unschönen Seiten des Landes, allerdings ohne das Land in irgendeiner Art abzuwerten. Ich fand es sehr interessant zu lesen, stellenweise wars mir dann doch etwas zu wirtschaftlich, aber diese Stellen blieben zum GlĂŒck recht klein und gering. Ingesamt bekommt das Buch von mir 4 Rubine und ich wĂŒrde es jedem, der sich fĂŒr Japan interessiert, aber keine rosarote Brille trĂ€gt, empfehlen.









Quelle:
Selbst geschossen

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