Rückentext:
Ist Deutschland noch verteidigungsfähig?
Die Bundeswehr ist in einem katastrophalen Zustand. Im In- und Ausland gilt sie mittlerweile als Lachnummer. Vier von zehn neuen Panzern sind nicht nutzbar, jeder dritte Kampfjet muss am Boden bleiben - die Truppe ist kaum noch handlungsfähig. Dabei sind ihre Aufgaben gewachsen. Spätestens seit sie nicht mehr nur für die Landesverteidigung zuständig sind, sondern "unsere Sicherheit am Hindukusch verteidigt". Die Streitkräfte gehen in die zahlreichen Einsätze mit dem schlimmsten Gefühl, das ein Soldat haben kann: nicht ausreichend ausgestattet zu sein. Für ein Land von der Größe und globalen Bedeutung Deutschlands ist der miserable Zustand der Streitkräfte ein Skandal. Wie es so weit kommen konnte und was das für die Zukunft unseres Landes bedeutet, davon erzählt dieses Buch.
Meinung (Achtung, möglicherweise Spoiler!):
Ich muss zugeben, dass mich das Thema Militär oder Bundeswehr nie wirklich interessiert hat; und ich habe dazu auch keinen Berührungspunkt. Abgesehen davon war ich als weibliche Person nie von der Wehrpflicht, bevor diese abgeschafft worden war, betroffen gewesen, daher ist und war die Bundeswehr nie etwas, mit dem ich groß in Berührung kam, außer auf irgendwelchen Ausbildungsmessen oder auf der Gamescom, wenn ich sie da gesehen habe (oder eines ihrer Fahrzeuge). Dennoch bekomme ich auch hier und da etwas mit, wenn bei der Bundeswehr etwas schief läuft. Ist zwar nicht viel, aber selbst ich bekomme etwas davon mit.
Doch wie schlecht es wirklich um die Bundeswehr steht, das wusste ich vor dem Lesen des Buches bisher noch nicht. Der Autor erzählt in wenigen Kapiteln leicht verständlich, was genau die Probleme sind, die die Bundeswehr lahm legen; wer genau dahinter steckt und was bei den ganzen komplizierten Vorgängen passiert ist. Auch schlüsselt er auf, wer genau an was Schuld ist und welche Konsequenzen die ganzen Fehlentscheidungen und Selbstverteidigungsversuche der Verteidigungsminister auf die Bundeswehr und damit auch auf den Rest des Landes haben. Er fängt damit in der Vergangenheit an, mit den Gründen für die Gründung der Bundeswehr und auch, wie sie sich über die Jahre entwickelt hat; ebenso auch, wie sie sich modernen Problemen stellt. Dass beispielsweise die Bundeswehr als Arbeitgeber nicht sonderlich attraktiv ist und es auch weniger Leute gibt, die seit der Abschaffung der Wehrpflicht dorthin gehen, dürfte ja bekannt sein.
Doch der Autor kommt nicht sehr überheblich rüber oder hebt den moralischen Zeigefinger allzu weit hoch, er gibt dem Leser einen Eindruck davon, wie komplex das Problemkonstrukt, das die komplette Bundeswehr von A bis Z umgibt. Auch gibt es nicht DIE Ursache oder DEN Schuldigen, ebenso auch wenig DIE Lösung. Dennoch gibt er den einen oder anderen Denkanstoß und auch Lösungsvorschläge, mit denen man die Bundeswehr ein wenig besser machen könnte. Nicht nur einmal habe ich beim Lesen innerlich oder äußerlich den Kopf geschüttelt, weil ich einfach nicht glauben konnte, was ich da gelesen habe. Besonders, wenn es solche Dinge sind wie dass ein Kampfflieger (?) durch dreckige Soldatenschuhe bereits beschädigt werden kann; oder wenn man lieber viel Geld für ein mobiles Kampfgerät, welches untauglich sein soll, ausgibt, als ein besseres Modell aus dem Ausland geschenkt zu bekommen. Da muss ich beim Lesen mir doch immer mal wieder an den Kopf fassen.
Leseprobe:
Ich schlief noch in einem Container in Camp Marmal, dem Hauptquartier der Bundeswehr in Afghanistan, als es knallte. Es ist schwer, diesen Knall im Nachhinein mit etwas zu vergleichen. Es war einfach sehr laut. Dass ich für eine Recherche im Frühjahr 2015 das Lager besuchen musste, hatte mir vorher keine Angst gemacht. Ich wusste, dass es auf der Welt kaum besser bewachte Orte gibt als das Camp vor der Stadt Marar-i-Sharif. Ich war schon einige Male in der Hauptstadt Kabul gewesen und habe dort an Straßenständen Kebap gegessen. Das war viel gefährlicher. Aber der Knall änderte das mit der Angst. Am besten liegen bleiben, dachte ich. Ein paar Minuten später klopfte der mit der Pressebetreuung beauftragte Oberfeldwebel an der Tür. "Tja, dann haben wir wohl jetzt einen Alarm", sagte er. Später kam heraus, dass auf dem Flugfeld eine 107-mm-Rakete eingeschlagen war. Niemand wurde verletzte, nichts zerstört. Doch als ich danach in Schutzhelm und Schutzweste im Zimmer saß und Dosenravioli und Cola frühstückte, weil ich den Container während des Alarms nicht verlassen durfte, dachte ich an meine erste Zeit in der Bundeswehr zurück und wie wenig das hier mit dem zu tun hatte, wie ich die Truppe zuerst kennengelernt hatte. Das hier war verdammt ernst.
Fazit:
Ich bin ehrlich gesagt froh, dass ich mir das Buch aus der Bibliothek ausgeliehen und damit dem Buch eine Chance gegeben habe. Zwar bin ich immer noch nicht jemand, der sich für derartige Themen auskennt oder gar interessiert, dennoch finde ich es gut, dass ich darüber mal gelesen habe; in einem sachlichen Buch. Zwar gibt es kaum bis gar nichts, was ich persönlich dort dagegen machen könnte, aber ist eines von den Dingen, wo ich ich mir denke: Ja, davon sollte man wenigstens einmal was gehört oder gelesen haben. Außerdem war es anschaulich und zum Nachdenken anregend geschrieben. Von mir bekommt es fünf Rubine und die Leseempfehlung, dass man es zumindest einmal durchgelesen hat, damit man auch noch besser im Bilde ist, so wie ich.
Quelle:
Bild: Selbst geschossen
Hallo Kira,
AntwortenLöschenich finde solche Themen eigentlich hochspannend und werde das Buch garantiert auch einmal lesen. Zwar bringt es mich gleichzeitig zum Verzweifeln, wenn klar wird, wie naiv, egoistisch und engstirnig die meisten "da oben" handeln, die doch für unser aller Wohl zuständig sind. Aber es hat auch eine gewisse Komik, dass gerade die Institution, die das Land sichern sollte, Gegenstand eines Buches wird, dessen Untertitel beinahe so absurd klingt, dass es sich doch nur um einen schlechten Scherz handeln kann (aber bitterer Ernst ist).
Vielen Dank für deine interessante Rezension!
Liebe Grüße,
Isa